Mein erster Gang führt mich immer an die Steilküste direkt vor meiner Unterkunft. Von dort habe ich einen wundervollen Blick auf den unter mir liegenden Strand und den weiten Horizont der Ostsee. Da ich oft erst abends anreise, erlebe ich den frühen Sonnenuntergang der Frühlingssonne in seinen unbeschreiblichen, roten Farbtönen.
Diesmal war ich allerdings nicht alleine dort. Ein selbständiger Unternehmer war auf meinen Blog aufmerksam geworden und hatte den Mut zu einer Rauszeit vom Alltag. Als leidenschaftlicher Angler verbrachter er seiner Meinung nach viel zu wenig Zeit am Wasser. Rügen kannte er bisher nur aus einem Sommerurlaub vor vielen Jahren. Eine Meerforelle hatte er noch nie gefangen.
Also, drei gute Gründe dafür die Angelsachen zu packen und zu starten.
Im Zuge unserer Vorbereitungen auf die Reise sprach er darüber, dass er die Zeit auch gerne dafür nutzen wollte, mit mir über anstehende berufliche Herausforderungen zu sprechen.
Seine Arbeit sei geprägt durch ein stark projekthaftes Vorgehen. Er habe das Gefühl, dass er jedes neue Projekt wieder von vorne beginnt und ihm dieselben Herausforderungen begegnen. Sein Wunsch war es, Lösungen zu entwickeln, wie er und seine Mitarbeiter schneller und routinierter mit diesen immer wiederkehrenden Einflüssen umgehen können.
Nun standen wir also auf dieser Klippe und waren beeindruckt von dem, was sich vor uns ausbreitete. Ein leichter Wind bewegte das kristallklare Wasser. Tangfelder und Sandstellen zeichneten ein markantes Muster in den flachen, ufernahen Bereich. Ideale Aufenthaltsorte für unseren Zielfisch. Wir konnten erahnen, wie die Meerforellenschwärme in der wärmenden Morgensonne des kommenden Tages dort hindurch ziehen würden. Es roch förmlich nach Fisch.
Was für mich ein gewohnter Anblick ist, der mir schon viel über die zu erwartenden Aussichten verrät, war für meinen Begleiter völliges Neuland. Das konnte ich deutlich in seinem Blick erkennen. Vor dem offenen Meer zu stehen ist schon ein Unterschied zu den vertrauten Uferbereichen seiner bisherigen Angelgewässer.
Meine erste Frage an ihn war deshalb auch: „Was denken Sie jetzt, wenn Sie davon ausgehen, dass wir morgen dort unten angeln gehen werden?“
Seine Augenbrauen zogen sich etwas in die Höhe und sein Blick verriet schon etwas über seine Antwort: „Der Strand ist ganz schön lang. Ich sehe keine wirklichen Orientierungen, an denen ich eine Entscheidung fest machen könnte, wo ich ins Wasser gehe. Und warum sollten die Meerforellen gerade hier vorbei kommen. An meinem Vereinsgewässer kenne ich jede Bodenvertiefung und jeden Zentimeter Schilfkante. Hier sehe ich nur Wasser und Weite!“
„Womit könnten Sie denn diese Situation in etwa vergleichen?“ fragte ich Ihn als nächstes. Diese Antwort fiel ihm dann schon leichter: „Das fühlt sich an, wie zu Beginn eines neuen Projektes.“
Die Reflektion hatte also schon begonnen. Damit konnten wir weiter arbeiten. Zurück in unserer Unterkunft sichteten wir erst unsere Ausrüstung und öffneten uns dann eine Flasche Bier. Genuss ist ja auch ein wichtiger Bestandteil der Reise. Außerdem ist das Anstoßen auf den bevorstehenden Angelerfolg ein wichtiges Ritual auf meinen Reisen ans Wasser geworden.
Ich versuchte noch einmal an die Antwort auf der Steilküste einzugehen. „Was hat bei Ihnen denn vorhin den Vergleich zum Start eines neuen Projektes erzeugt?“. Wieder sprudelte es nur so aus ihm heraus.
Eigentlich wisse er ja, was auf ihn zukommt. Schließlich angelt er ja schon seit frühster Kindheit. Die ungewohnten Begebenheiten des Reviers, die teilweise fehlende Erfahrung im Umgang mit der neuen Ausrüstung und die mangelnde Einschätzung, wie sich die Witterung auf das Verhalten der Fische auswirken wird, hätten in ihm dieses Bild entstehen lassen. Das wäre in etwa vergleichbar mit den Bedingungen, die oft auch zu Beginn neuer Projekte vorherrschen. Obwohl er mit seinem Unternehmen ausschließlich in derselben Branche tätig ist, oft auch bei verschiedenen Auftraggebern die gleichen Prozesse und Leistungen umsetzen muss, spürt er bei sich und seinen Mitarbeitern oft auch erst mal eine gewisse Planlosigkeit. Es würde dann auch einige Zeit brauchen, bis sich eine Struktur ergibt, die ein planvolles Arbeiten ermöglicht. Das ärgere ihn sehr. Zum Glück würden es die meisten Kunden nicht wahrnehmen, weil er auch dort diese Beobachtungen macht. Bisher konnte er dabei als Dienstleister seinen Kunden zwar immer einen Schritt zuvorkommen, aber insgesamt sei das auf Dauer kein wünschenswerter Zustand.
Damit hatten wir also unser Thema für die kommenden Tage.
In dem ich mit ihm im Verlaufe des Abends an seinen Ressourcen für die bevorstehende Meerforellenjagd arbeitete, bereitete ich indirekt auch schon unsere Arbeit an seiner beruflichen Herausforderung vor.
Wir fanden heraus, wie es ihm gelang andere, fremde Gewässer kennen zu lernen. Wie ging er dabei vor? Was davon führte zum Erfolg? Was davon würde er auf keinen Fall wieder tun?
Das was für ihn völlig neu war, zeigte ich ihm. Wie z.B. verbinde ich das feine Vorfach mit der groben Hauptschnur so, dass es auch einer heftigen Flucht der Meerforelle standhält. So konnte er eigene Erfahrungen und neues Wissen am nächsten Tag mit an den Strand nehmen und umsetzen.
Nach der ersten Stunde war dann auch seine Anspannung einer gewissen Routine gewichen. Überlegen warf er die Köder wieder und wieder in Richtung des Horizonts. In mehreren Pausen besprachen wir in ähnlicher Form sein Thema der immer wiederkehrenden „Neuprojekte“, wie er das in seiner Firma bereits benannt hatte. Dabei wärmten wir uns mit heißem Tee und kleinen Feuern im bushcraft Ofen.
Herrlicher Sonnenschein, wenig Wind und leicht getrübtes Wasser begleiteten uns die zwei Tage an der Ostsee. Hervorragende Bedingungen, die am Ende des ersten Tages auch zu einer Meerforelle führten. Gemeinsam ließen wir uns diesen herrlichen Fisch dann auch am Abend schmecken.
Genauso wie es uns gelang, seine Unruhe über die ungewohnte Situation des Angelns am Meer abzustellen, fanden wir im Laufe der gemeinsamen Angelzeit auch Ansätze, die „Neuprojekte“ zu verringern. Erstaunlich dabei, alle Lösungen basierten auf den Erfahrungen aus vergangenen Projekten.
Dabei saßen wir am zweiten Tag mehr am Strand und sprachen miteinander, als dass wir wirklich konzentriert angelten. Das Wetter, die klare Luft, die Einsamkeit am Strand und das inhaltsreiche Gespräch fesselten uns. Mein Begleiter bewertete dabei die Ansätze die wir herausgearbeitet hatten und entschied, was er mit seiner Mannschaft auch ernsthaft angehen kann. Am Ende entschied er sich dafür, im Rahmen eines in kürze anstehenden Projektes diese Maßnahmen schon anzuwenden.
Mit der letzten Tasse Tee stießen wir gemeinsam auf den vereinbarten Plan an.
Wir angelten in einen komplett windstillen Abend hinein, der in ein tiefes, winterliches Rot getaucht war.
Ohne einen weiteren Fisch endete dann dieser „Reset“ vom Alltag für meinen Begleiter und mich. Nach einem letzten gemeinsamen „Rühreifrüstück“ starteten wir zur Rückreise.
Sollten Sie jetzt Lust bekommen haben, in ähnlicher Atmosphäre Natur zu erleben und an beruflichen Herausforderungen zu arbeiten, dann empfehle ich Ihnen meinen Angel-Erlebnis-Finder. Wählen Sie Ihre persönliche Rauszeit an weiteren, traumhaften Gewässern. Treffen Sie eine Entscheidung für sich, dann treffen wir uns am Wasser! Mit oder ohne Fischereischein……