Als ich im vergangenen Jahr von einem Angelfreund eingeladen wurde, mit ihm an der Ruhr auf Barbe zu angeln, konnte ich noch nicht ahnen, welche Leidenschaft sich daraus entwickeln sollte. Als eingefleischter Raubfischangler habe ich gefühlt schon über 20 Jahre keinen Ansitz Ausflug mehr geplant, geschweige denn umgesetzt. Und dann gleich so ein Aufwand. Mehr als drei Stunden Anfahrt, keine wirklich passende Ausrüstung und erst recht keine Erfahrung im Umgang mit Feederrute und Korbmontage.
Da ich ja ein Grund neugieriger Mensch bin und in der Vergangenheit viele Erlebnisse nicht hätte sammeln können, wen ich nicht einfach „ gemacht“ hätte, fuhr ich hin. Natürlich konnte ich mir die fehlende Ausrüstung bei meinem Angelfreund ausleihen. Viel mehr noch. Er bereitete mir während des Ausfluges fast ideal typische Ausgangsbedingungen, um ja auch einen Fisch zu fangen, dass es mir schon fast unangenehm war. Ich fing dann auch meine erste große Barbe und ich war dabei als mein Angelfreund den größten Fisch seines Lebens fing. Eine Barbe, so groß und schwer, wie man sie eigentlich nur in den klassischen Revieren Englands oder Spanien erwarten könnte. Damit verband uns ein gemeinsames Erlebnis, dass für uns unvergessen bleibt. Aus dieser tollen Erfahrung heraus lud er mich ein wenig später ein, mit ihm nach England zu reisen und dort in den exklusiven Barbenflüsse der Barbel Society zu angeln. Er braucht mir auch nicht lange vor zu schwärmen, was er über die Flüsse Mittel Englands recherchiert hatte. Schnell war ich bereit dabei zu sein und freute mich riesig drauf, mit Steve Pope, den ersten englischen Angel Guide kennen zu lernen.
Neben der tollen Landschaft, die er uns vorstellte, ist Steve auch ein Mensch, der in seinen Bemühungen die Gäste zum Fisch zu führen, alles in den Schatten stellt, was ich je als Guide erlebt habe. Ich möchte sogar so weit gehen, dass die Bezeichnung Guide in Bezug auf ihn völlig unzureichend ist. Er teilte mit uns seinen Trailer, versorgte uns mit Fish and Chips, unterhielt sich mit uns über „Gott und die Welt“ und vermittelte mir das Gefühl, als wären wir alte Freunde. Und das, obwohl mein Englisch die Erfahrungsstufe „Urlaubskonversation“ nicht annähernd erreicht. Das störte ihn überhaupt nicht. Wir „verstanden“ uns bereits nach zwei Tagen so gut, dass wir uns über sehr private Dinge unterhielten.
Jeden Tag ging es an einen anderen Fluss. Und jeder diese Flüsse hatte seinen eigenen Reiz. Waren der Severn und der Wye ziemlich breit und besaßen eine starke Strömung, so waren Teme und Kennet eher schmale Rinnsale, eingefasst in eine Auenland artige Natur. Selbst das Wetter war nicht typisch englisch. Die Fahrten zu den Angelstellen waren auch schon ein Abenteuer für sich. Mein Angelfreund und ich hatten keinerlei Erfahrungen mit dem Linksverkehr und der außergewöhnlichen englischen Straßenführung auf Autobahnen. Ich übernahm die Rolle des aktiven Beifahrers und war bemüht „meinen Fahrer“ so gut es ging bei Konzentration zu halten.
Gerade auf den Rückfahrten im Dunkeln und müde vom langen Angeltag war es nicht einfach durch jeden Kreisverkehr zu gelangen ohne Steve vor uns aus den Augen zu verlieren. Natürlich ließen wir einen Abend mal „abreißen“. Da wir Steve nicht erreichen konnten und er uns auch nicht, war es also an mir, uns durch Mittel England zu lotsen. Heil froh, dass wir zurück fanden und mit einer großen Portion Fish and Chips begrüßte uns Steve an diesem Abend im Trailer.
Die Reviere rund um Worcester sind bekannt für ihr hervorragendes Potenzial an Barben und Döbel. Die Barbel Society hegt und pflegt ihr Gewässer und hat strenge Regeln zum Umgang mit den Fischen aufgestellt. Das erwies sich zumindest für meinen Angelfreund als Glücksverstärker. Jeden Tag konnte er mit glänzenden Augen und stattlichen Barben in die Kamera lächeln. Zum großen Leidwesen von Steve blieb mir auf der Reise leider nur die Rolle des „Kescherjungen“ und „Fotografen“. Nicht ein Fisch interessierte sich für die von mir unter Anleitung von Steve präparierten Köder. Ein Umstand, der dafür sorgte, dass sich Steve die letzten beiden Tage mit großer Führsorge um das Anfüttern der Angelstellen und das Auslegen der Köder an meinen Angelplätzen kümmerte. Am letzten Tag, bei unserem Ansatz am River Kennet, verschluckte sich dann die kleinste Barbe die Steve je beim Angeln auf diesen tollen Fisch gesehen hatte, an meinen Pelletköder. Naja, ein außergewöhnlicher Fang, auf seine Art. Ich hätte mich sicherlich über mehr Barben gefreut. Aber es sollte diesmal einfach nicht sein. Aber das kenne ich ja von anderen Schicksalsfischen bereits zur Genüge.
Auch ohne den Fangerfolg bleibt diese Reise ein schöner Moment in meinem Leben. Alles was ich gesehen oder erlebt habe, hätte ich nicht gesehen oder erlebt, wenn ich ohne Begleitung dort gewesen wäre. Schon weil mir der Zutritt zu den Flussabschnitten nicht möglich gewesen wäre.
Als ich wieder zu Hause war, habe ich meine Ausrüstung sofort auf Vordermann gebracht und den Rest des Sommers mehrere Ansitz Touren an die
Elbe unternommen. Eine Barbe habe ich zwar nicht fangen können, aber dafür bekommen Döbel und Brassen der „Klohdeckel Klasse“ nun einen
Haken auf meiner Fangliste. Sogar den Einzigen Saison Zander konnte ich als ungewollten Beifang auf einem meiner Feeder Ausflüge fangen.
Ich bleibe natürlich dran und werde das Projekt „Elbe-Barbe“ im neuen Jahr fortsetzen…