Gefühle entwickeln, ein Gespür bekommen, das sind Sprüche, die sicher schon jeder einmal gehört hat. Wie stark Gefühle und Emotionen die Atmosphäre zwischen Menschen beeinflussen wissen wir nicht erst, seit Loriot dieses Phänomen im Zusammenhang mit der Kochzeit eines Eies zum Thema eines seiner köstlichen Sketche machte. Im beruflichen Alltag erlebe ich eher die Situation, dass Gefühle zeigen immer noch als ein Zeichen von Schwäche gewertet wird. Gerade in verantwortlichen Positionen wird sich lieber auf Formalien und Machtinstrumente verlassen, als auf Bauch und Herz.
Beim Angeln habe ich auch für mich erst wieder entdecken müssen, wie wichtig es ist, eigenen Gefühlen wieder mehr Raum zu geben, um erfolgreich zu sein. Ob es nun die Auswahl der Köder, die Art und Weise der Köderpräsentation oder der Umgang mit der Angelrute ist. Nichts funktioniert dabei von alleine oder stellt an sich den Erfolg sicher.
Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Ausflug auf die Ostsee. In den Boddengewässern vor Rügen gibt es die besten Hechtbestände Europas. Dort besteht die Chance mit großer Sicherheit Großhechte weit über einen Meter zu fangen. Ich dachte diesen Traum dort ganz einfach zu verwirklichen. Dort begegnete mir dann auch der Spruch meines Guides das erste Mal:
„Du musst ein gutes Gefühl für Deinen Köder haben, dann fängst Du auch!“. Damals konnte ich das noch gar nicht so richtig zuordnen. Heute weiß ich was er damit sagen wollte.
Vertraue auf Deine Ressourcen, unabhängig davon, was so um Dich herum passiert. Natürlich beherzigte ich diesen Hinweis nicht, und wechselte quasi meine gesamte Köderkiste nach 4-5 Würfen je Köder durch. Ich fing auch den einen oder anderen Fisch, aber eben nur eher zufällig. Mein Guide hingegen warf zwei Tage lang nur einen Köder hinaus und fing neben zwei Hechten weit über einen Meter seinen bis dato größten Hecht jenseits der 1,30m Marke. Ein gutes Gefühl für den Köder, das ist heute mein Kriterium für den Einsatz eines Köders. Etwas, dass nur ich spüren kann, obwohl es von außen auch schon mal belächelt wird.
Ich gebe zu. Es ist nicht immer einfach seine Gefühle richtig einzuschätzen.
Dafür sind es ja Gefühle. Stellen sich spontan ein, sind genauso schnell wieder verschwunden, treten nie mit derselben Intensität auf und sind manchmal auch schwer zu deuten.
Daher ist es entscheidend sich zu beobachten, wenn man aus den verschiedenen Gefühlen heraus handelt. Schon um zu erkennen, welche Wirkung damit erzeugt wird.
Ich habe Jahre gebraucht, um zum Beispiel nachvollziehen zu können, was Angelfreunde und Geräteverkäufer damit meinten, wenn sie davon sprachen: „…Wichtig ist, das die Rute nicht zu kopflastig ist und die Aktion gut vom Arm aufgenommen werden kann!…“. Bis dahin suchte ich mir meine Ruten nach dem Aussehen aus und ob sie von der Farbe her zu meinen Rollen passten, die dort ran sollten. Heute kann ich sagen, habe ich ein Vorliebe für bestimmte Ruten, mit denen ich am besten zurechtkomme. Quasi, ein Gefühl entwickelt. Dazu habe ich vieles ausprobiert und mich dabei beobachtet. Wie kann ich den Köder auswerfen, wie gut spüre ich die Bewegungen unter Wasser über die Rutenspitze, welche Ergonomie beim Griffstück passt zu meiner Anatomie. Wieviel ich damit fange, war übrigens kein Kriterium. Erst als das alles für mich spürbar wurde habe ich mich dazu entschlossen, eine Rute für mich zu bauen. Diese vereint nun alle meine Anforderungen und verleiht mir ein gutes Gefühl, wenn ich sie benutze.
Also, achten Sie in Ihren Alltagssituationen einfach mal etwas genauer auf sich. Spüren Sie in sich und vor allem beobachten Sie, wie es Ihnen und den beteiligten Personen dabei geht, wenn Sie aus einem Gefühl heraus gehandelt oder entschieden haben.
Vertrauen Sie bei der Übertragung von Verantwortung an einen Mitarbeiter vielleicht auch mehr ihrem Gefühl als formalen Voraussetzungen. Machen Sie doch mal einen jungen Kollegen zum Leiter eines Projektes oder treffen Sie einfach mal wieder eine Entscheidung in dem Moment, in dem Sie einfach nur ein gutes Gefühl dafür haben….